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Artikel für Mediziner*innen

Statinintoleranz

Dr. Peter Klein-Weigel

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Viele Patienten berichten über Nebenwirkungen unter der Therapie mit Statinen. Diese werden oft unter dem Begriff der „Statinintoleranz“ zusammengefasst, der allerdings nur unscharf definiert ist.

 

So versteht die EMA (European Medicines Agency) darunter due Unfähigkeit aufgrund von Muskelsymptomen ≥2 Statine in Dosen zu tolerieren, die erforderlich wären ihre LDL-Konzentration in den Zielwert zu bringen, während die NLA (National Lipid Association) darunter das Auftreten von unerwünschnten Symptomen oder Laborbefunden versteht, die durch Statine hervorgerufen werden, die Alltagsaktivitäten stören und zu einem Absetzen oder einer Dosisreduktion der Statine führen.

Die häufigsten unerwünschten Symptome betreffen die Muskulatur und werden unter dem Begriff der satinassoziierten Muskelsymptome zusammengefasst (SAMS).

Der Begriff umfasst: 1. Myalgien 2. Myopathien 3. Myositis und 4. die Myonekrose (Rhabdomyolyse), wobei Myalgien am häufigsten vorkommen, während das Auftreten einer Rhabdomyolyse (Myoglobin > 10x oberer Grenzwert) sehr selten ist und auf 1:10.000 Personenjahre geschätzt wird.

 

Was ist eine typische SAMS-Symptomatik

 

Statininduzierte Muskelschmerzen sind in der Regel proximal und symmetrisch ausgeprägt, d.h. sie betreffen die Schultergürtel/Oberarmmuskulatur oder die Beckengürtel/Oberschenkelmuskulatur.

Die Beschwerden nehmen unter Belastung zu (Aufstehen, Treppensteigen, Gehen, Heben, Stemmen).

Muskelschmerzen und Schwäche kommen oft zusammen vor.

Muskelkrämpfe sind keine typischen Zeichen einer SAMS.

Das Auftreten erfolgt i.d.R. zu Beginn der Therapie oder nach Dosissteigerungen (ca. 90% innerhalb von 6 Monaten).

 

Wir häufig kommt SAMS vor?

 

Die Prävalenz statinassoziierter Muskelsymptome ist hauptsächlich davon abhängig, ob jemand weiß, dass er ein Statin einnimmt oder nicht. In kontrollierten randomisierten Studien lag die Häufigkeit zwischen 1-5%, während in offenen Studien 11-29% der Teilnehmer über SAMS klagte. indrucksvoll konnte dieser Effekt in der ASCOT-LLA-Studie gezeigt werden, da nach der Aufhebung der Verblindungsphase die Rate an statinassoziierten Symptomen und Unverträglichkeiten deutlich zunahm (+38%!).

Ein nicht unerheblicher Teil der den Statinen zugeschriebenen Nebenwirkungen sind somit klassische Noceboeffekte, die durch das schlechte Image der Substanzklasse und die Erwartung unerwünschter Wirkungen genährt werden, sich aber andererseits schwer korrigieren lassen.

Die Risikofaktoren für das Auftreten von SAMS sind vielfältig. Es sind dies patienteseitig v.a. ein Alter > 80 J, allgemeine Gebrechlichkeit (Frailty)2, weibliches Geschlecht, niedriger Body mass index (BMI) und eine asiatische Ethnizität. Ferner spielen akute Erkrankungen wie Infektionen, Schilddrüsenunterfunktion, höhergradige Nieren- und Leberinsuffizienz, Cholestase und das Vorhandensein eines Diabetes eine Rolle, ferner Traumata und größere Operatrionen, frühere oder aktuelle Muskelerkrankungen sowie ein Drogen- und Alkoholabusus.

Klinisch wichtig sind auch Arzneimittelinteraktionen. Statine bevorzugen unterschiedliche Cytochrom-Abbauwege, die sie anfällig für Medikamenteninteraktionen machen:

 

Im Einzelnen sind zu beachten:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Verhalten bei V.a. Statinunverträglichkeit

 

1. Im Fall muskulärer Symptome unter einer Statintherapie sind folgende Fragen bedeutsam:

 

  • Ist die Symptomatik überhaupt typisch für SAMS?         

  • Gehört der Pat. in eine Risikogruppe?                           

  • Liegt eine akute Auslösesituation vor?

  • Gibt es potentielle Medikamenteninteraktionen?

  • Gibt es potentielle Lebensmittelinteraktionen?

 

2. Bestimmung der CK oder des Myoglobins, engmaschige klinische Beobachtung!

 

3. Dosierung auf das zuletzt tolerierte Maß reduzieren bei leichteren Symptomen bzw. Pausieren des Präparates bei                  schwereren Symptomen

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4. Bei keiner oder nur leichter Erhöhung der CK/des Myoglobins nach 4 Wochen Statintherapie wieder mit anderem Präparat in niedriger Dosierung starten mit langsam kontrollierter Dosissteigerung. Ggf. Ezetimib zugeben.

 

Bei stärkeren Syptomenen oder Erhöhung der CK erst nach Beschwerdefreiheit und Normalisierung der Muskelenzyme mit anderem Statin wieder in niedriger Dosierung starten und ggf. Dosis vorsichtig steigern. Frühzeitig Ezetimib zugeben.

 

5. Alternativ zu 4: Bempedoinsäure statt Statin geben und frühzeitig mit Ezetimib kombinieren.

 

6. Bei Nichterreichen des Zielwertes PCSK-9-Hemmer oder Inclisiran zusätzlich erwägen.   

 

 

 

Quellen

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http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Scientific_guideline/2014/01/WC500159540.pdf.
(Accessed March 1, 2016)

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