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Artikel für Patient*innen und Interessierte

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Behandlung mit Fettsenkern

Dr. Peter Klein-Weigel

 Eine Behandlung mit fettsenkenden Medikamenten muss dann erwogen werden, wenn ihr kardiovaskuläres Risiko erhöht ist und eine rein diätetische Behandlung nicht aussichtsreich ist oder sich als nicht genügend wirksam erwiesen hat, um die anzustrebenden Zielwerte zu erreichen.

Grundsätzlich bleibt auch im Falle einer medikamentösen Therapie die Notwendigkeit einer diätetischen Behandlung und einer Bewegungstherapie erhalten.

 

Behandlung der Hypercholesterolämie

Zur Behandlung erhöhter Cholesterinkonzentrationen können mehrere Therapieprinzipien eingesetzt werden:

 

  1. Hemmung der Cholesterinaufnahme im Darm
     

  2. Hemmung der körpereigenen Cholesterinbiosynthese
     

  3. Blockade eines Proteins (PCSK-9), das den Abbau des LDL-Rezeptors auf der Leberzelloberfläche induziert, wodurch mehr Rezeptoren zur Verfügung stehen und mehr Cholesterol aus dem Blut entfernt wird
     

  4. Synthesehemmung des PCSK-9-Proteins

 

Zu 1)
Der Anteil des mit der Nahrung zugeführten Cholesterins am Cholesterinspiegel des Blutes ist vergleichsweise gering, da ca. 90% des Cholesterins durch die Leberzellen selbst hergestellt werden.

Entsprechend ist die Effektivität des Therapieprinzips der Hemmung der Cholesterinaufnahme im Darm eher schwach und wird in der Praxis häufig nur zur Unterstützung und Effektivitätssteigerung der übrigen Behandlungsprinzipien im Rahmen einer Kombinationstherapie ausgenutzt.
 

Zur Resorptionshemmung von Cholesterin im Darm wurde früher Anionenaustauscherharze eingesetzt. Ein typischer Vertreter dieser Gruppe ist das Cholestyramin. Es handelt sich hierbei um ein sehr großes Molekül, das wasserunlöslich ist und nicht über den Darm aufgenommen wird. Es unterliegt deshalb nicht dem körpereigenen Stoffwechsel.
 

Colestyramin darf nicht eingenommen werden, wenn eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff besteht, bei Darmverschluss oder einer Verlegung des Gallengangs. Da Colestyramin die Aufnahme fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K) und zahlreicher Medikamente vermindern kann, muss die Therapie überwacht werden. Cholestyramin bindet im Darm Gallensäure, so dass diese vermehrt ausgeschieden werden. Generell wird geraten, andere Arzneimittel mindestens eine Stunde vor der Colestyramin-Einnahme oder mindestens vier Stunden nach der Colestyramin-Verabreichung einzunehmen, da deren Resorption sonst unsicher ist.
 

Ein modernerer Vertreter der Resorptionshemmer ist Ezetimib, das in einer Dosierung von 10 mg/d eingenommen wird und dessen Wirkung auf einer Hemmung der Transporter für Cholesterol in der Membran der Mucosazellen beruht, wodurch weniger Cholesterin aus dem Darm aufgenommen werden kann.

Nebenwirkungen von Ezetimib bei einer Monotherapie sind Magen-Darm-Beschwerden, Müdigkeit und Kopfschmerzen. In Kombination mit Statinen sind Kopf- und Muskelschmerzen, Durchfall sowie Erhöhungen der Leberwerte (AST und/oder ALT) mögliche unerwünschte Wirkungen.

 

Zu 2)
Die körpereigene Cholesterolbiosynthese kann derzeit durch Hemmung zweier Enzyme in der Synthesekette bewerkstelligt werden:
 

Statine hemmen das Schlüsselenzym des Cholesterinaufbaus in der Leber und Muskulatur (Memmung der HMG-Co-Reduktase), während Bempedoinsäure nach Aktivierung in der Leberzelle den initialen Syntheseschritt beeinflussen (Hemmund der ATP-Citrat-Lyase).
 

Statine werden unterschieden in eher schwach wirksame Vertreter (z.B. Fluvastatin, Pravastatin), mittelstarke Vertreter (z.B. Simvastatin) und stark wirksame Vertreter (z.B. Atorvastatin und Rosuvastatin), ferner nach ihrem Abbauweg und abbauenden Enzymsystem, was für die Abschätzung von möglichen Arzneimittelwechselwirkungen entscheidend ist.
 

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen der Statine

Statine besitzen ein schlechtes Image, was angesichts ihre unzweifelhaft großen Nutzens nicht gerechtfertigt ist.

Neben Magen-Darm-Symptomen und Kopfschmerzen sind v.a. muskelbezogene Symptome wie Muskelschmerzen und Schwäche typische Beschwerden, die häufig geklagt werden. Ihre Rate liegt bei ca. 1-5%, wenn die Patienten nicht wissen, dass sie mit Statinen behandelt werden und bei ca. 10-15%, sobald die Verordnung wissentlich erfolgt. Bereits hieraus lässt sich schließen, dass ein hoher Nocebo-Effekt, hervorgerufen durch die Erwartungshaltung einer solchen Nebenwirkung, vorhanden ist („Nocebo“ bedeutet übersetzt „ich werde schaden“). Krämpfe der Muskulatur sind keine typischen Nebenwirkungen von Statinen, werden aber oft Statinen angeschuldigt. Schwere Muskelnebenwirkungen wie der Zerfall der Muskulatur sind sehr selten (ca. 1:1 Mio Patientenjahre). Leberenzymerhöhungen sind weitere seltene Nebenwirkungen. Diabetes mellitus trat unter der Einnahme leicht vermehrt auf. Störungen der Gedächtnisfunktionen oder anderer psychischer Funktionen treten nicht auf.

Im Gegensatz zu den Statinen wirkt Bempedoinsäure nur in der Leberzelle. Die typischen muskelbezogenen Statinnebenwirkungen kommen somit unter Bempedoinsäure praktisch nicht vor. Typische Nebenwirkungen sind eine leichte Erhöhung der Harnsäure im Blut ohne vermehrtes Auftreten von Gichtanfällen und ein leichter anstieg des Serumkreatinins ohne relevante Beeinträchtigung der Nierenfunktion. Leberfunktionsstörungen und Erhöhungen der Leberenzyme sind möglich.

Zu 3)

PCSK-9-Hemmer sind humanisierte Antikörper, die zusammen mit einem Statin eine sehr starke Absenkung des LDL-C-Cholesterins bewirken. Diese Antikörper bestehen aus Proteinstrukturen, die nicht oral eingenommen werden können, sondern wie Insulin in die Unterhaut gespritzt werden. Das Behandlungsintervall liegt bei 14 Tagen, bei einzelnen Präparaten auch bei 4 Wochen.

PCSK-9-Hemmer sind nicht nur sehr wirksam, sondern auch sehr gut verträglich. Es kommen Hämatome und Reizungen an der Einstichstelle vor, ferner ev. ein leichtes „Erkältungsgefühl“ am Injektionstag.

Zu 4)

Inclisiran ist neu auf dem Markt. Das Medikament muss 2 x jährlich in die Haut injiziert werden und hemmt die Synthese des PCSK-9-Moleküls durch eine Hemmung der Synthesesteuerung. Außer Hämatomen oder Reizungen an der Injektionsstelle sind keine relevanten Nebenwirkungen bekannt. Zusammen mit einem Statin liegt die erzielte Cholesterinabsenkung im gleichen Bereich wie unter PCSK-9-Hemmern.  

 

PCSK-9-Hemmer und Inclisiran sind sehr teuer. Ihr Einsatz unterliegt besonderen Regularien. Hausärzte sind von der primären Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen, Lipologen, Kardiologen, Endokrinologen, Nephrologen und Angiologen dürfen entsprechende Verordnungen vornehmen.

 

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